Mit dem folgenden Artikel
möchte ich eine neue Serie auf unserem Blog starten. Ich werde euch immer
wieder Fotografen vorstellen, deren Arbeit ich interessant finde. Auch mal über
den Tellerrand gucken ist die Devise, denn die Fotografie ist ein unendlich
weites Feld und der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Denn auch wenn die
Art der Fotografie vielleicht eine komplett andere als die eigene ist, sollte
man sich meiner Meinung nach unbedingt auch in anderen Bereichen umschauen.
Was natürlich nicht heißt,
dass nicht auch mal Fotografen dabei sind, die in meinen fotografischen Bereichen
richtig geile Sachen machen. Es soll einfach ein bunter Mix werden und euch die
Möglichkeit bieten sich von anderen Fotografen inspirieren zu lassen oder auch einfach mal einen Einblick in einen vielleicht völlig fremden Bereich der
Fotografie zu bekommen.
Beginnen möchte ich heute
mit einem Fotografen und Composer, den ich selbst letztes Jahr persönlich in
London kennenlernen durfte und von dessen Arbeiten ich auch gleich sehr
angetan war. Andraj Sonnenkalb. Er ist in seinem Bereich ein wahrer Künstler
und auch sehr erfolgreich. Er ist u.a. auch in dem Buch „200 best digital artists worldwide“ vertreten und
schon einige seiner Bilder zieren die CD Cover und Plakate der Band „Letzte
Instanz“. Seine Photoshop Composings sind voller Ideen und Kreativität. Darum
freue ich mich sehr, dass Andraj sich für dieses Interview zur Verfügung
gestellt hat.
Hallo
Andraj, zunächst einmal vielen Dank, dass du dich für ein Interview zur
Verfügung stellst. Unser Blog ist ja sonst eigentlich recht „naturlastig“, umso
mehr freut es mich, heute mal eine etwas ganz andere Art der Fotokunst
vorzustellen, das Composing. Vielleicht stellst du dich und deine Arbeit einfach
selbst erst einmal kurz vor.
Hallo Tanja, vorneweg erst einmal vielen Dank, dass ich hier mich und
meine Arbeit vorstellen darf. Ich lebe
und arbeite zurzeit in Leipzig und habe einen 13 jährigen Sohn, der natürlich
auf einigen meiner Bilder Hauptdarsteller ist.
Seit 1997 arbeite ich als freier Mitarbeiter beim Fernsehen (MDR) und
dort seit Anfang 2000 als Grafikdesigner im täglichen Sendebetrieb. Hier erstelle
ich die Grafiken, die z.b. bei BRISANT oder MDR-Aktuell neben dem Moderator zu
sehen sind, oder erstelle animierte Infografiken und Karten. Ungefähr zur
selben Zeit, wie ich beim Fernsehen angefangen habe, begann auch meine
Photoshop-Lehrzeit. Ja auch nach nunmehr 18 Jahren lerne ich immer noch dazu. Angefangen habe ich damals übrigens noch
mit der Version 4, wo es z.b. noch nicht mal das Protokoll gab und man sich
jeden Schritt zweimal überlegen musste, da man ja nur einmal Undo machen
konnte. Mittlerweile haben sich meine Kenntnisse aber doch ein bisschen
gefestigt, so dass ich inzwischen mehrfach im Fernsehen als Photoshopexperte
auftreten durfte, was mich natürlich sehr ehrt.
Zur Fotografie bin ich eigentlich durch eine eher weniger erfreuliche
Geschichte gekommen. Nach einem längeren Aufenthalt in Spanien 2006 wurde mir
nach meiner Rückkehr meine kleine Digitalkamera aus dem Auto gestohlen. Die
Kamera selber war zu dem Zeitpunkt eigentlich nichts mehr wert, aber ca. 1000
Urlaubserinnerungen waren fort. Aber da ich ja ein grundoptimistischer Mensch
bin, nahm ich genau dieses Ereignis als Anlass, mir endlich einen lange
gehegten Traum zu erfüllen und habe mir meine erste digitale
Spiegelreflexkamera gekauft.
Seit ungefähr 3 Jahren habe ich hier in Leipzig mein eigenes
Fotostudio, wo ich spannende Aufträge und eigene Ideen super verwirklichen
kann.
Im
Grunde sind heute im digitalen Zeitalter ja praktisch alle Fotos mehr oder
weniger am PC bearbeitet. Aber ab wann würdest du sagen, spricht man von einem
Composing? Wie viel Eingriff am PC bzw. wie stark muss die Verfremdung der
Realität eines Fotos sein, denn die Realität spielt ja bei solchen Bildern eine
eher untergeordnete Rolle?
Nun von einem Composing spricht man, wenn mindestens 2 verschiedene
Bilder zu einem zusammengeführt, komponiert werden. Das hat im ersten Moment
noch gar nix mit Verfremdung zu tun. Wenn man das richtig geschickt anstellt, kann
es sogar so aussehen, als ob es so tatsächlich fotografiert wurde. Genau aus
diesem Grunde sage ich auch immer sehr gerne: „Traue nie einem Bilde, welches
Du nicht selber bearbeitet hast!“
Und gerade diese Möglichkeit Bilder zusammenzubauen, die so in der
Realität niemals so zusammen auftreten, eröffnet ganz großartige Möglichkeiten mir
meine eigenen Bilderwelten zu schaffen. Die einzigen Grenzen setzt uns dann
eigentlich nur noch die eigene Phantasie. Und das ist etwas, was mich wirklich
begeistert, dass man heutzutage mit ein wenig Software-Knowhow eine komplett
eigene und neue Bilderrealität erschaffen kann wozu noch vor wenigen
Jahrzehnten sehr viel malerisches Talent und jahrelang an trainiertes Können von
Nöten waren.
Woher
nimmst du denn deine Ideen zu den einzelnen Bildern?
Hui, die Frage habe ich schon so oft gestellt bekommen und kann sie
immer noch nicht richtig beantworten. Ehrlich, manchmal weiß ich das selber gar
nicht so genau. Oft lasse ich mich auf ein Bild einfach nur ein und die Ideen
kommen dann während der Bearbeitung. Aber natürlich ist auch ein ganz großer
Teil einfach Inspiration durch andere Künstler. Ich schaue mir sehr gerne
wirklich gut gemachte Bildmontagen an, habe dafür sogar einen Extra
‚Inspirationen‘-Ordner auf meiner Festplatte. Ich lasse andere Ideen auf mich
wirken, tauche in fremde Welten ein und spinne diesen Faden dann einfach weiter
oder mir fällt eine andere Umsetzung einer ähnlichen Idee ein.
Aber natürlich gibt es auch bei mir die geplanten Bilder. Gerade bei
Auftragsarbeiten erarbeitet man sich gemeinsam eine Idee, wägt die
Realisierbarkeit ab und versucht diese dann umzusetzen.
Für
Kunstwerke wie deine ist ja sicher eine sehr genaue Planung, Inszenierung und
Lichtsetzung notwendig. Wie gehst du grundsätzlich bei deinen Arbeiten vor?
Auch hier unterscheide ich zwischen den geplanten und den ich nenn sie
mal ‚aus sich selber entstehenden Bildern‘.
Steht das Ziel von vornherein fest, ist es ganz klar, dass ich die
Grundpfeiler des guten Composings: Perspektive, Lichtführung, Schärfe beim
Erstellen von Ausgangsfotos so gut es eben geht beachten muss. Es gilt
natürlich, je besser mein Ausgangsbild ist umso mehr kann ich dann im Photoshop
noch einen draufsetzen. Manche Details habe ich mir aber auch schon mal schnell
mit dem Handy fotografiert.
Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass ich mich im Nachhinein ärgere
weil z.b. ein Faltenwurf nicht ganz stimmig wirkt oder sich manche Dinge
einfach nicht so fotografieren lassen. Besonders bei den Bildern, die des
Nachts spontan entstehen, repariere ich manchmal in stundenlanger Detailarbeit
Dinge, die man eigentlich hätte viel schneller fotografieren können. Das nenn
ich dann Photoshoptraining und ich bin ich immer wieder aufs Neue begeistert,
wieviel man mit dem Programm nachträglich retuschieren kann.
Im
Composing werden ja auch oft mehrere Fotos verwendet und zu einem zusammen
gesetzt. Machst du alle dafür Bilder selbst oder bedienst du dich auch mal bei
Stockfotos?
Eigentlich ist es mein Anspruch alle Bilder, die ich verwende auch
selber zu fotografieren. Das erscheint mir irgendwie ehrlicher, dass es auch
wirklich mein Werk ist. Aber natürlich steht der Aufwand die richtigen Details
wie z.b. Wassertropfen, Splittern, Wolken, Bergen im Hintergrund, etc. … selber
zu fotografieren, oft in gar keinem Verhältnis zur Wichtigkeit im Bild so dass
ich hier auch sehr gerne auf freie Stockbilder zurückgreife. Da habe ich
inzwischen auch eine große Sammlung auf meinem Rechner und schlage auch gerne
zu, wenn tolle Pakete im Netz angeboten werden.
Für Auftragsarbeiten, weil z.b. der passende Kerzenleuchter einfach
nicht zum Fotografieren zur Verfügung stand, kaufe ich mir auch gerne mal das
ein oder andere Bildelement. Und dann gibt es noch die Dinge, die es eben
einfach nicht gibt und die muss man sich dann im Photoshop komplett selber
bauen: z.B. habe ich für das Bild ‚Die Zigarette davor‘ eine offene
Zigarettenschachtel aus den 30er Jahren gebraucht, wo ein paar Zigaretten aus
der Schachtel herausragen. Such mal so ein Bild bei einem Stockanbieter. Und
ich wette, in der einen Stunde, die ich für das Texturen suchen und zusammenbasteln
gebraucht habe, hättest Du so ein Foto davon nicht gefunden ;-) Oder ich weiche
auf andere Programme aus. Z.b. habe ich mir die großen Splitter bei den Bildern
‚Was bleibt‘ oder ‚Brainstorm‘ mit dem Zertrümmern-Effekt in After Effects schnell
selber gerendert.
Aber was mir wirklich sehr wichtig ist bei meiner Arbeit, dass alle
Personen, die auf meinen Bildern zu sehen sind, zu einhundert Prozent, bis auf
eine einzige Auftragsarbeit, auch von mir so fotografiert wurden! Dieser Punkt,
mit Menschen zu arbeiten und diese gegeben falls selber zu inszenieren, fasziniert mich wirklich sehr
an der Fotografie.
Mich nerven da wirklich manchmal diese Bilder, wo sich jemand ein
tolles Stockmodelbild nimmt, einfach einen Look drüber haut und schwups ist man
ein ganz Toller, obwohl Fotograf und meist eine sehr aufwendige Visa ja ganz andere waren. Zum Üben ist das völlig in Ordnung. Aber ich könnte so
ein Bild niemals mein eigenes nennen.
Wie
lange brauchst du im Schnitt für eines deiner Bilder in der Bearbeitung?
Normale Portraitbilder 1 bis 2 Stunden, aufwändigere Collagen gerne
auch mal 6 bis 8 Stunden. Aber oft ertappe ich mich dabei, dass ich, gerade
wenn es dann draußen schon wieder hell wird, einfach nur fertig werden möchte.
Mittlerweile macht es auch irgendwie klick und ich spüre ziemlich genau, wann
ein Bild fertig ist und dann kommt mein Lieblingsritual: Ich stelle das Bild
auf Vollbild (Für alle
Photoshoptastaturkürzelnerds: Zweimal ‚f‘ drücken und dann noch Strg/Cmd+0,
eventuell noch Tab damit auch wirklich alle Paletten ausgeblendet sind),
und meinen Laptop in die Küche, so dass ich vom Balkon aus das Bild sehe und
gönne mir eine Belohnungszigarette, während ich mir minutenlang das Bild
anschaue. Meist entscheide ich dann erst, ob es wirklich fertig ist, oder doch
noch etwas fehlt.
Manchmal stecke ich aber auch fest in einem Bild und komme einfach
nicht weiter. Von solchen Rudimenten habe ich einige noch auf der Festplatte.
Da können auch schon mal Monate ins Land gehen, bis mich die Muse wieder küsst
und so ein Bild dann endlich fertig wird.
Was
reizt dich am meisten bei Composings? Die Möglichkeit komplett neue Kunstwelten
zu erschaffen oder die Verfremdung der Realität oder doch etwas ganz anderes?
Nun das ist ganz eindeutig die Möglichkeit mir eigene Bilderwelten zu
schaffen, frei nach dem Motto „Ich bau mir meine Welt, wie sie mir gefällt“. Und
ich liebe es, wenn ich in meinen eigenen Bildern versinken kann. Ein schönes
Beispiel ist mein ‚Bild mit Stein – ein langer Weg‘. Dort oben unter dem Baum
möchte ich gerne mal bei einem guten Wein den Sonnenuntergang anschauen.
Des Weiteren gibt mir gerade bei meinen Portraits die nachträgliche
Bearbeitung, die Möglichkeit eben diesen an sich irrealen Wunsch umsetzen zu
können, eine Persönlichkeit ‚festzuhalten‘. Ähnlich wie bei einem Gemälde, das
ja aus der Sichtweise des Malers entsteht, erstelle ich mein Bild des
Porträtierten.
Bist
du auch in anderen fotografischen Bereichen tätig oder machst du ausschließlich
Composings?
Ehrlich, gefühlt sind Composings eher der kleinere Teil meiner Arbeit.
Ich habe ja ein eigenes Fotostudio und in letzter Zeit macht es mir immer mehr
Freude Menschen portraitieren und diese Bilder dann in meinem Stil zu
bearbeiten. Dabei reizt mich vor allem die Arbeit mit ganz ‚normalen‘ Menschen
und ich freue mich immer wieder aufs Neue wenn es mir gelingt die
Persönlichkeit und Individualität, die uns alle ausmacht einzufangen.
Aber ich nehme auch gerne klassische Fotografenaufträge an. Erst letztens
habe ich ein Mitarbeitershooting für ein mittelgroßes Unternehmen ausgeführt
und auch schon Katalogshootings mit
Modellen hinter mir.
Dass
die Kamera nicht das Bild macht, wissen wir natürlich. Aber für alle
technikinteressierten Leser: Mit welcher Ausrüstung arbeitest du (Hardware und
Software)?
Ach ja, die liebe Technik. Ich bin erst vor kurzem auf Vollformat umgestiegen
und fotografiere mit einer Canon 6D und diversen Objektiven, im Studio meist mit
Festbrennweiten. In meinem Studio habe ich 3 Hensel Freemask Blitzköpfe und
natürlich alle gängigen Lichtformer.
Auch wenn es für viele ungewöhnlich scheinen mag, aber ich arbeite
seit vielen Jahren ausschließlich am Laptop. In meinem Fall eine ‚mobile
workstation‘ von HP mit kalibrierbarem Display, SSD und 16GB RAM.
Außerdem habe ich ein Vollabo der Creative Cloud, da ich neben
Photoshop & Lightroom auch noch After Effects, Premiere, Illustrator,
Indesign und Acrobat verwende.
Du
bist auch seit mehreren Jahren mit der Band „Letzte Instanz“ unterwegs und
machst u.a. für sie auch die Bilder für Ihre Plakate und CD´s. Wie kam es zu
dieser Zusammenarbeit und arbeitest du auch noch für andere Bands?
Der Kontakt stammt noch aus meiner wilden Jugend ;-). Seit nun schon 18 Jahren mache ich bei
dieser Band eigentlich alles was man sieht, angefangen vom CD-Artwork, Plakate
und Merchandising, bis hin zum Webdesign. Und auf Tournee fahre ich außerdem
immer noch als Lichttechniker mit. Gerade bei den ersten Artworks hatte ich
natürlich eine wunderbare Möglichkeit meine Photoshopkenntnisse auszuprobieren
und zu erweitern und auch den Großteil meines Knowhows im Printbereich habe ich
mir teils mit viel Schweiß dadurch selber erarbeitet.
Seit ungefähr 2007 mache ich auch alle Pressefotos und habe sehr viel Spaß
an dem doch sehr speziellen Bereich der Bandfotografie mit ihren ganz eigenen Anforderungen.
So was spricht sich natürlich rum und ich bekomme immer häufiger Anfragen von
Musikern. Anfang des Jahres durfte ich den österreichischen Liedermacher
Günther Novak portraitieren und aktuell arbeite ich mit dem Folktrio „Troika“
aus Dresden und der Leipziger Metalband „Canterra“ zusammen.
Gibt
es denn bei dir auch die Möglichkeit, bei dir zu lernen? Gibst du workshops,
Einzelcoachings oder gibt es evtl. Videotrainings?
Zurzeit unterrichte ich an der SAE Leipzig, eher theoretische
Schulungen zum Thema Screendesign & Typgrafie. An der Fernsehakademie
Leipzig unterrichte ich angehende Mediengestalter und Film- & Videoeditoren
in Photoshop und After Effects (für alle die es nicht kennen, das ist quasi
Photoshop animiert). Und außerdem gebe ich hin und wieder Mitarbeiterschulungen
in Photoshop beim MDR.
Das Schulen macht mir sehr viel Spaß und deswegen stehen Videotrainings
und freie Workshops bei mir definitiv auf dem Plan. Und natürlich bin ich offen für alle
Schulungsanfragen.
Vielen
Dank Andraj für diesen sehr interessanten Einblick in deine Arbeit und weiterhin
viel Spaß und Erfolg!
Weitere Auszeichnungen von Andraj Sonnenkalb:·
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2015 Trierenberger Super Circuit - Goldmedallie in der Rubrik »Selbstportrait«
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2015 Lürzers Archive „200 Best Digital
Artists worldwide 15/16“
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2014 Preisträger „Photoshop Artworks
Wettbewerb“ Pavel Kaplun & DigitalPHOTO Photoshop
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2014 Preisträger DOCMA-Award „Schein oder
Sein“, Kategorie „Meister“
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