Montag, 20. Juli 2015

Interview mit Andraj Sonnenkalb - Fotograf und Photoshopkünstler


Mit dem folgenden Artikel möchte ich eine neue Serie auf unserem Blog starten. Ich werde euch immer wieder Fotografen vorstellen, deren Arbeit ich interessant finde. Auch mal über den Tellerrand gucken ist die Devise, denn die Fotografie ist ein unendlich weites Feld und der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Denn auch wenn die Art der Fotografie vielleicht eine komplett andere als die eigene ist, sollte man sich meiner Meinung nach unbedingt auch in anderen Bereichen umschauen.

Was natürlich nicht heißt, dass nicht auch mal Fotografen dabei sind, die in meinen fotografischen Bereichen richtig geile Sachen machen. Es soll einfach ein bunter Mix werden und euch die Möglichkeit bieten sich von anderen Fotografen inspirieren zu lassen oder auch einfach mal einen Einblick in einen vielleicht völlig fremden Bereich der Fotografie zu bekommen.

Beginnen möchte ich heute mit einem Fotografen und Composer, den ich selbst letztes Jahr persönlich in London kennenlernen durfte und von dessen Arbeiten ich auch gleich sehr angetan war. Andraj Sonnenkalb. Er ist in seinem Bereich ein wahrer Künstler und auch sehr erfolgreich. Er ist u.a. auch in dem Buch „200  best digital artists worldwide“ vertreten und schon einige seiner Bilder zieren die CD Cover und Plakate der Band „Letzte Instanz“. Seine Photoshop Composings sind voller Ideen und Kreativität. Darum freue ich mich sehr, dass Andraj sich für dieses Interview zur Verfügung gestellt hat.

Hallo Andraj, zunächst einmal vielen Dank, dass du dich für ein Interview zur Verfügung stellst. Unser Blog ist ja sonst eigentlich recht „naturlastig“, umso mehr freut es mich, heute mal eine etwas ganz andere Art der Fotokunst vorzustellen, das Composing. Vielleicht stellst du dich und deine Arbeit einfach selbst erst einmal kurz vor.

Hallo Tanja, vorneweg erst einmal vielen Dank, dass ich hier mich und meine Arbeit vorstellen darf.  Ich lebe und arbeite zurzeit in Leipzig und habe einen 13 jährigen Sohn, der natürlich auf einigen meiner Bilder Hauptdarsteller ist.
Seit 1997 arbeite ich als freier Mitarbeiter beim Fernsehen (MDR) und dort seit Anfang 2000 als Grafikdesigner im täglichen Sendebetrieb. Hier erstelle ich die Grafiken, die z.b. bei BRISANT oder MDR-Aktuell neben dem Moderator zu sehen sind, oder erstelle animierte Infografiken und Karten. Ungefähr zur selben Zeit, wie ich beim Fernsehen angefangen habe, begann auch meine Photoshop-Lehrzeit. Ja auch nach nunmehr 18 Jahren lerne ich immer noch dazu. Angefangen habe ich damals übrigens noch mit der Version 4, wo es z.b. noch nicht mal das Protokoll gab und man sich jeden Schritt zweimal überlegen musste, da man ja nur einmal Undo machen konnte. Mittlerweile haben sich meine Kenntnisse aber doch ein bisschen gefestigt, so dass ich inzwischen mehrfach im Fernsehen als Photoshopexperte auftreten durfte, was mich natürlich sehr ehrt.
Zur Fotografie bin ich eigentlich durch eine eher weniger erfreuliche Geschichte gekommen. Nach einem längeren Aufenthalt in Spanien 2006 wurde mir nach meiner Rückkehr meine kleine Digitalkamera aus dem Auto gestohlen. Die Kamera selber war zu dem Zeitpunkt eigentlich nichts mehr wert, aber ca. 1000 Urlaubserinnerungen waren fort. Aber da ich ja ein grundoptimistischer Mensch bin, nahm ich genau dieses Ereignis als Anlass, mir endlich einen lange gehegten Traum zu erfüllen und habe mir meine erste digitale Spiegelreflexkamera gekauft.
Seit ungefähr 3 Jahren habe ich hier in Leipzig mein eigenes Fotostudio, wo ich spannende Aufträge und eigene Ideen super verwirklichen kann.



Im Grunde sind heute im digitalen Zeitalter ja praktisch alle Fotos mehr oder weniger am PC bearbeitet. Aber ab wann würdest du sagen, spricht man von einem Composing? Wie viel Eingriff am PC bzw. wie stark muss die Verfremdung der Realität eines Fotos sein, denn die Realität spielt ja bei solchen Bildern eine eher untergeordnete Rolle?

Nun von einem Composing spricht man, wenn mindestens 2 verschiedene Bilder zu einem zusammengeführt, komponiert werden. Das hat im ersten Moment noch gar nix mit Verfremdung zu tun. Wenn man das richtig geschickt anstellt, kann es sogar so aussehen, als ob es so tatsächlich fotografiert wurde. Genau aus diesem Grunde sage ich auch immer sehr gerne: „Traue nie einem Bilde, welches Du nicht selber bearbeitet hast!“  
Und gerade diese Möglichkeit Bilder zusammenzubauen, die so in der Realität niemals so zusammen auftreten, eröffnet ganz großartige Möglichkeiten mir meine eigenen Bilderwelten zu schaffen. Die einzigen Grenzen setzt uns dann eigentlich nur noch die eigene Phantasie. Und das ist etwas, was mich wirklich begeistert, dass man heutzutage mit ein wenig Software-Knowhow eine komplett eigene und neue Bilderrealität erschaffen kann wozu noch vor wenigen Jahrzehnten sehr viel malerisches Talent und jahrelang an trainiertes Können von Nöten waren.


Woher nimmst du denn deine Ideen zu den einzelnen Bildern?

Hui, die Frage habe ich schon so oft gestellt bekommen und kann sie immer noch nicht richtig beantworten. Ehrlich, manchmal weiß ich das selber gar nicht so genau. Oft lasse ich mich auf ein Bild einfach nur ein und die Ideen kommen dann während der Bearbeitung. Aber natürlich ist auch ein ganz großer Teil einfach Inspiration durch andere Künstler. Ich schaue mir sehr gerne wirklich gut gemachte Bildmontagen an, habe dafür sogar einen Extra ‚Inspirationen‘-Ordner auf meiner Festplatte. Ich lasse andere Ideen auf mich wirken, tauche in fremde Welten ein und spinne diesen Faden dann einfach weiter oder mir fällt eine andere Umsetzung einer ähnlichen Idee ein.
Aber natürlich gibt es auch bei mir die geplanten Bilder. Gerade bei Auftragsarbeiten erarbeitet man sich gemeinsam eine Idee, wägt die Realisierbarkeit ab und versucht diese dann umzusetzen.


Für Kunstwerke wie deine ist ja sicher eine sehr genaue Planung, Inszenierung und Lichtsetzung notwendig. Wie gehst du grundsätzlich bei deinen Arbeiten vor?

Auch hier unterscheide ich zwischen den geplanten und den ich nenn sie mal ‚aus sich selber entstehenden Bildern‘.
Steht das Ziel von vornherein fest, ist es ganz klar, dass ich die Grundpfeiler des guten Composings: Perspektive, Lichtführung, Schärfe beim Erstellen von Ausgangsfotos so gut es eben geht beachten muss. Es gilt natürlich, je besser mein Ausgangsbild ist umso mehr kann ich dann im Photoshop noch einen draufsetzen. Manche Details habe ich mir aber auch schon mal schnell mit dem Handy fotografiert.
Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass ich mich im Nachhinein ärgere weil z.b. ein Faltenwurf nicht ganz stimmig wirkt oder sich manche Dinge einfach nicht so fotografieren lassen. Besonders bei den Bildern, die des Nachts spontan entstehen, repariere ich manchmal in stundenlanger Detailarbeit Dinge, die man eigentlich hätte viel schneller fotografieren können. Das nenn ich dann Photoshoptraining und ich bin ich immer wieder aufs Neue begeistert, wieviel man mit dem Programm nachträglich retuschieren kann.


Im Composing werden ja auch oft mehrere Fotos verwendet und zu einem zusammen gesetzt. Machst du alle dafür Bilder selbst oder bedienst du dich auch mal bei Stockfotos?

Eigentlich ist es mein Anspruch alle Bilder, die ich verwende auch selber zu fotografieren. Das erscheint mir irgendwie ehrlicher, dass es auch wirklich mein Werk ist. Aber natürlich steht der Aufwand die richtigen Details wie z.b. Wassertropfen, Splittern, Wolken, Bergen im Hintergrund, etc. … selber zu fotografieren, oft in gar keinem Verhältnis zur Wichtigkeit im Bild so dass ich hier auch sehr gerne auf freie Stockbilder zurückgreife. Da habe ich inzwischen auch eine große Sammlung auf meinem Rechner und schlage auch gerne zu, wenn tolle Pakete im Netz angeboten werden.
Für Auftragsarbeiten, weil z.b. der passende Kerzenleuchter einfach nicht zum Fotografieren zur Verfügung stand, kaufe ich mir auch gerne mal das ein oder andere Bildelement. Und dann gibt es noch die Dinge, die es eben einfach nicht gibt und die muss man sich dann im Photoshop komplett selber bauen: z.B. habe ich für das Bild ‚Die Zigarette davor‘ eine offene Zigarettenschachtel aus den 30er Jahren gebraucht, wo ein paar Zigaretten aus der Schachtel herausragen. Such mal so ein Bild bei einem Stockanbieter. Und ich wette, in der einen Stunde, die ich für das Texturen suchen und zusammenbasteln gebraucht habe, hättest Du so ein Foto davon nicht gefunden ;-) Oder ich weiche auf andere Programme aus. Z.b. habe ich mir die großen Splitter bei den Bildern ‚Was bleibt‘ oder ‚Brainstorm‘ mit dem Zertrümmern-Effekt in After Effects schnell selber gerendert.
Aber was mir wirklich sehr wichtig ist bei meiner Arbeit, dass alle Personen, die auf meinen Bildern zu sehen sind, zu einhundert Prozent, bis auf eine einzige Auftragsarbeit, auch von mir so fotografiert wurden! Dieser Punkt, mit Menschen zu arbeiten und diese gegeben falls selber  zu inszenieren, fasziniert mich wirklich sehr an der Fotografie.
Mich nerven da wirklich manchmal diese Bilder, wo sich jemand ein tolles Stockmodelbild nimmt, einfach einen Look drüber haut und schwups ist man ein ganz Toller, obwohl Fotograf und meist eine sehr aufwendige Visa ja ganz andere waren. Zum Üben ist das völlig in Ordnung. Aber ich könnte so ein Bild niemals mein eigenes nennen.



Wie lange brauchst du im Schnitt für eines deiner Bilder in der Bearbeitung?

Normale Portraitbilder 1 bis 2 Stunden, aufwändigere Collagen gerne auch mal 6 bis 8 Stunden. Aber oft ertappe ich mich dabei, dass ich, gerade wenn es dann draußen schon wieder hell wird, einfach nur fertig werden möchte. Mittlerweile macht es auch irgendwie klick und ich spüre ziemlich genau, wann ein Bild fertig ist und dann kommt mein Lieblingsritual: Ich stelle das Bild auf Vollbild (Für alle Photoshoptastaturkürzelnerds: Zweimal ‚f‘ drücken und dann noch Strg/Cmd+0, eventuell noch Tab damit auch wirklich alle Paletten ausgeblendet sind), und meinen Laptop in die Küche, so dass ich vom Balkon aus das Bild sehe und gönne mir eine Belohnungszigarette, während ich mir minutenlang das Bild anschaue. Meist entscheide ich dann erst, ob es wirklich fertig ist, oder doch noch etwas fehlt.
Manchmal stecke ich aber auch fest in einem Bild und komme einfach nicht weiter. Von solchen Rudimenten habe ich einige noch auf der Festplatte. Da können auch schon mal Monate ins Land gehen, bis mich die Muse wieder küsst und so ein Bild dann endlich fertig wird.

Was reizt dich am meisten bei Composings? Die Möglichkeit komplett neue Kunstwelten zu erschaffen oder die Verfremdung der Realität oder doch etwas ganz anderes?

Nun das ist ganz eindeutig die Möglichkeit mir eigene Bilderwelten zu schaffen, frei nach dem Motto „Ich bau mir meine Welt, wie sie mir gefällt“. Und ich liebe es, wenn ich in meinen eigenen Bildern versinken kann. Ein schönes Beispiel ist mein ‚Bild mit Stein – ein langer Weg‘. Dort oben unter dem Baum möchte ich gerne mal bei einem guten Wein den Sonnenuntergang anschauen.
Des Weiteren gibt mir gerade bei meinen Portraits die nachträgliche Bearbeitung, die Möglichkeit eben diesen an sich irrealen Wunsch umsetzen zu können, eine Persönlichkeit ‚festzuhalten‘. Ähnlich wie bei einem Gemälde, das ja aus der Sichtweise des Malers entsteht, erstelle ich mein Bild des Porträtierten.



Bist du auch in anderen fotografischen Bereichen tätig oder machst du ausschließlich Composings?

Ehrlich, gefühlt sind Composings eher der kleinere Teil meiner Arbeit. Ich habe ja ein eigenes Fotostudio und in letzter Zeit macht es mir immer mehr Freude Menschen portraitieren und diese Bilder dann in meinem Stil zu bearbeiten. Dabei reizt mich vor allem die Arbeit mit ganz ‚normalen‘ Menschen und ich freue mich immer wieder aufs Neue wenn es mir gelingt die Persönlichkeit und Individualität, die uns alle ausmacht einzufangen.
Aber ich nehme auch gerne klassische Fotografenaufträge an. Erst letztens habe ich ein Mitarbeitershooting für ein mittelgroßes Unternehmen ausgeführt und auch schon Katalogshootings  mit Modellen hinter mir.

Dass die Kamera nicht das Bild macht, wissen wir natürlich. Aber für alle technikinteressierten Leser: Mit welcher Ausrüstung arbeitest du (Hardware und Software)? 

Ach ja, die liebe Technik. Ich bin erst vor kurzem auf Vollformat umgestiegen und fotografiere mit einer Canon 6D und diversen Objektiven, im Studio meist mit Festbrennweiten. In meinem Studio habe ich 3 Hensel Freemask Blitzköpfe und natürlich alle gängigen Lichtformer.
Auch wenn es für viele ungewöhnlich scheinen mag, aber ich arbeite seit vielen Jahren ausschließlich am Laptop. In meinem Fall eine ‚mobile workstation‘ von HP mit kalibrierbarem Display, SSD und 16GB RAM.
Außerdem habe ich ein Vollabo der Creative Cloud, da ich neben Photoshop & Lightroom auch noch After Effects, Premiere, Illustrator, Indesign und Acrobat verwende.


Du bist auch seit mehreren Jahren mit der Band „Letzte Instanz“ unterwegs und machst u.a. für sie auch die Bilder für Ihre Plakate und CD´s. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und arbeitest du auch noch für andere Bands?

Der Kontakt stammt noch aus meiner wilden Jugend ;-). Seit nun schon 18 Jahren mache ich bei dieser Band eigentlich alles was man sieht, angefangen vom CD-Artwork, Plakate und Merchandising, bis hin zum Webdesign. Und auf Tournee fahre ich außerdem immer noch als Lichttechniker mit. Gerade bei den ersten Artworks hatte ich natürlich eine wunderbare Möglichkeit meine Photoshopkenntnisse auszuprobieren und zu erweitern und auch den Großteil meines Knowhows im Printbereich habe ich mir teils mit viel Schweiß dadurch selber erarbeitet.
Seit ungefähr 2007 mache ich auch alle Pressefotos und habe sehr viel Spaß an dem doch sehr speziellen Bereich der Bandfotografie mit ihren ganz eigenen Anforderungen. So was spricht sich natürlich rum und ich bekomme immer häufiger Anfragen von Musikern. Anfang des Jahres durfte ich den österreichischen Liedermacher Günther Novak portraitieren und aktuell arbeite ich mit dem Folktrio „Troika“ aus Dresden und der Leipziger Metalband „Canterra“ zusammen.





Gibt es denn bei dir auch die Möglichkeit, bei dir zu lernen? Gibst du workshops, Einzelcoachings oder gibt es evtl. Videotrainings?

Zurzeit unterrichte ich an der SAE Leipzig, eher theoretische Schulungen zum Thema Screendesign & Typgrafie. An der Fernsehakademie Leipzig unterrichte ich angehende Mediengestalter und Film- & Videoeditoren in Photoshop und After Effects (für alle die es nicht kennen, das ist quasi Photoshop animiert). Und außerdem gebe ich hin und wieder Mitarbeiterschulungen in Photoshop beim MDR.
Das Schulen macht mir sehr viel Spaß und deswegen stehen Videotrainings und freie Workshops bei mir definitiv auf dem Plan.  Und natürlich bin ich offen für alle Schulungsanfragen.

Vielen Dank Andraj für diesen sehr interessanten Einblick in deine Arbeit und weiterhin viel Spaß und Erfolg!


Weitere Auszeichnungen von Andraj Sonnenkalb:·       

-        2015 Trierenberger Super Circuit  - Goldmedallie in der Rubrik »Selbstportrait«
-        2015 Lürzers Archive „200 Best Digital Artists worldwide 15/16“
-        2014 Preisträger „Photoshop Artworks Wettbewerb“ Pavel Kaplun & DigitalPHOTO Photoshop
-        2014 Preisträger DOCMA-Award „Schein oder Sein“, Kategorie „Meister“
·         
·    Weblinks:

-        www.andraj.de
-        www.500px.com/andraj



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen